In den bisherigen Beiträgen habe ich mich mit einigen eher technischen Grundlagen zum Biathlonschießen beschäftigt. Das werde ich in Zukunft auch weiter verfolgen, um weiterhin Anstoß zum Überdenken der Basisarbeit beim Biathlonschießtraining zu geben.
Dieser Beitrag beschäftigt sich allerdings damit, warum das Biathlonschießen als einer der beiden Bestandteile der Komplexleistung im Biathlon nicht vernachlässigt werden darf. Diese Tendenz ist aus meiner Sicht leider aktuell im deutschen Biathlon zu erkennen.
Das Biathlontraining ist grundsätzlich streng an der Wettkampfstruktur auszurichten. Für den läuferischen Teil ist das die Ausrichtung auf eine Mittelausdauerfähigkeit in Kombination mit den entsprechenden langlauftechnischen Fähigkeiten. Daneben wird eine Trefferquote von 100% der abgegebenen Wettkampfschüsse angestrebt. Eine wesentliche Größe bei der Trainingsplanung und Gestaltung stellt dabei das Verhältnis zwischen zu erbringender Lauf- und Schießleistung dar. Die Laufleistung wird dazu in der Distanz und die Schießleistung in der Anzahl der Wettkampfschüsse betrachtet.
In der Vergangenheit ist eine stetige quantitative Zunahme der in den durchgeführten Wettkämpfen zu absolvierenden Schießen zu beobachten. Das betrifft sowohl die Wettkampfsaison, insbesondere im Biathlonweltcup, als auch die durchgeführten Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele.
So stieg die zu erbringende Laufleistung in der Distanz von der Wettkampfsaison 1997/1998 zur Wettkampfsaison 2005/2006 um rund 29,3%. Im gleichen Zeitraum stieg die Anzahl der abzugebenden Schüsse im Rahmen der Wettkämpfe allerdings um rund 49,2% an.
In den Wettkampfsaisonen (umfasst den Biathlonweltcup, Weltmeisterschaften und die Olympischen Spiele) von 2006/2007 bis 2014/2015 blieb das Verhältnis Laufleistung zu Schießleistung nahezu konstant. Seit der Wettkampfsaison 2015/2016 gab es wieder einen signifikanten Sprung im Verhältnis Lauf- zur Schießleistung. Dies ist vor allem auf die Einführung der Wettkampfform Single-Mixed-Staffel zurückzuführen. In diesem Wettkampf gibt der einzelne Sportler/die einzelne Sportlerin doppelt so viele Wettkampfschüsse ab, als z.B. in der normalen Mixed Staffel.
Die Bedeutung des Biathlonschießens im Rahmen der Erbringung der komplexen Biathlonleistung ist somit in den letzten Jahren noch einmal angewachsen.
Zur Erbringung des angestrebten Wettkampfergebnisses von 100% Treffern bedarf es einer möglichst umfangreichen Erfahrung. Diese erlangt jeder Sportler/jede Sportlerin nur durch die Abgabe von so vielen Trainings- und Wettkampfschüssen wie möglich. Das Fehlen von mehreren tausend bis zehntausend Schüssen ist auch im Hochleistungsbereich nicht mehr aufzuholen, selbst wenn das zunächst so erscheinen mag. Spätestens bei schwierigeren Bedingungen wird sich die Erfahrung durchsetzen. Das betrifft auch die Handlungs- und Handhabungssicherheit bei Nachladern oder in der Störungsbeseitigung.
Ein Schießfehler wirkt sich mit Strafzeiten von 1min, mit Strafrunden von bis zu 25sec oder der benötigten Zeit für einen Nachlader von ca. 10sec aus. Dies durch eine bessere Laufleistung ausgleichen zu wollen, fällt bei zunehmender Leistungsdichte immer schwerer und bedeutet einen enorm gesteigerten Trainingsaufwand.
Ich kann, mit diesen Fakten im Hintergrund, nur dazu raten ein ähnlich ausgereiftes Trainingskonzept über alle Altersklassen und in allen Etappen des langfristigen Leistungsaufbaues für das Biathlonschießtraining zu verfolgen, wie im läuferischen Bereich. Das bedeutet natürlich auch eine entsprechende Aus- und Fortbildung der Trainer.