Dieser Beitrag stellt das Suhler Biathlongewehr Modell 626-1 anhand eines Realexemplars vor.

Grundsätze

Seit 1978 werden im internationalen Biathlonsport KK-Gewehre eingesetzt. Zunächst wurden die bis dahin genutzten Großkalibergewehre einfach verkleinert. Später versuchte man die Schießzeiten durch Neukonstruktionen von speziellen Biathlongewehren zu verkürzen. In der ehemaligen DDR wurde in den 1980er Jahren das Suhler Biathlongewehr Modell 626/626-1 entwickelt. Mit Gewehren diesen Modells wurden viele internationale Titel bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sowie Siege und Podestplatzierungen im Weltcup errungen. Der Beitrag zeigt das Modell im Detail anhand eines Realexemplars. Sicher können zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle „Geheimnisse“ dieser Waffen gelüftet werden. Ich möchte dennoch einen ersten Blick auf dieses interessante Stück Sport- und Waffengeschichte bieten.

Überblick

Das vorliegende Realexemplar trägt die Seriennummer V0693. Es ist ein weiteres Realexemplar mit der Seriennummer V0689 bekannt. Das vorgestellte Exemplar besitzt also mindestens einen Vorgänger im Bereich der Seriennummern. Vermutlich wurden die dazwischen liegenden Seriennummern auch vergeben. Mir ist nicht bekannt nach welchem Muster die Seriennummern für diese Gewehre vergeben wurden und in welchem Bereich der Seriennummern sich die beiden bekannten Exemplare bewegen.

Insgesamt sind mir 11 Exemplare des Modells 626-1 bekannt. Die beiden oben aufgeführten eingeschlossen. Darüber hinaus ist mir ein Exemplar des Modells 628 bekannt. Aus der Literatur ist die Produktion von ca. 171 Gewehren des Modells 626/626-1 und ca. 41 des Modells 628 bekannt [1]. Die Modelle 626 und 626-1 unterscheiden sich äußerlich durch ein seitlich im Winkel von ca. 135° zur Vertikalachse eingesetztes Magazin beim Modell 626. Das Nachfolgemodell 626-1 (ab ca. 1987) hat, wie hier auch zu sehen, wieder einen „konventionellen“ Magazinschacht.

Der Zustand des betrachteten Exemplars ist als stark gebraucht zu beschreiben. Insbesondere die verschiedenen Schaftteile zeigen deutliche Verschleißerscheinungen. Es weist auch Einiges auf mehrmaliges Umarbeiten, insbesondere des Pistolengriffs und der Schulterstütze, hin.

Es ist einsatzbereit, wenn das Tragesystem und der Unterstützungsriemen mit Handstopp angebracht werden.

Die folgenden Beschreibungen gehen von Schussrichtung aus.

Systemhülse

Die Systemhülse nimmt das Rohr, den Diopter, die Abzugseinrichtung, den Verschluss, den Verschlussmechanismus, den Magazinschacht und die Montage für die Schulterstütze auf. 

Die Systemhülse ist grundsätzlich rund. Allerdings wurde im vorderen Bereich die Oberseite als dreiseitiges Prisma ausgearbeitet. Auf der linken Fläche ist die Seriennummer sowie der Schriftzug „Suhl-Biathlon“ und die Beschusszeichen aufgebracht. Auf der oberen Fläche befindet sich das Suhler Waffenschmied Symbol. Die rechte Fläche ist frei von Markierungen. 

Hinter dem Auswurffenster befindet sich auf der Oberseite der Sysemhülse die Aufnahme für den Diopter. 

Links und rechts sind längliche Öffnungen,  in einer Form von Steuerstrecke/-kurve für den Querstift des Verschlusses ausgearbeitet. 

Hinter diesen Öffnungen ist der sich links und recht befindliche Verschlussmechanismus verstiftet. 

Unterhalb des hinteren offenen Endes der Systemhülse wurde eine Platte mit Neigung angeschweißt, an welcher wiederum ein kurzes Rohr als Aufnahme der Schulterstütze angeschweißt ist. 

Der Magazinschacht ist angeschraubt. Das gilt ebenso für die Abzugseinrichtung. 

Das Rohr ist im vorderen Bereich der Systemhülse mit zwei Schrauben geklemmt. Möglicherweise ist es zusätzlich eingeschraubt. Das wurde bisher noch nicht untersucht. 

Darüber hinaus gibt es zwei aufgeschweißte Gewinde in welchen der Vorderschaft verschraubt wird. 

Verschluss und Verschlussmechanismus

Der Verschluss ist grundsätzlich zylindrisch ausgeführt. Im vorderen Bereich ist er nicht ganz zur Hälfte unten ausgespart. Hier befindet sich eine Schiene in welcher der Ausstoßer läuft. Am Verschlusskopf sind zwei Auszieherkrallen spitzwinklig und symmetrisch vorhanden. Die Schlagbolzenspitze steht in der 12 Uhr Position am Verschlusskopf und damit so am Patronenrand an. 

Der Schlagbolzen ist als „massives“ Bauteil ausgeführt und bildet eine Funktionseinheit mit dem Verschluss selbst. Es ist nicht ersichtlich, dass er durch den Sportler zu tauschen wäre. Hier käme bei Bedarf offensichtlich nur der Austausch der gesamten Einheit – Verschluss/Schlagbolzen – in Betracht.  

Beim Verschlussmechanismus handelt es sich um einen so genannten Kniegelenkmechanismus. Dieser verriegelt, indem ein „Gestänge“ über eine „Knicklinie“ hinaus gebracht wird und so durch einfachen Druck von vorn nicht mehr geöffnet werden kann. Die Entriegelung erfolgt durch Überwindung dieser Knicklinie in die entgegengesetzte Richtung durch „äußeren“ Einfluß auf das Gestänge. Im Vorliegenden Fall erfolgt die Steuerung des Kniegelenkmechanismus über eine Dreiecksplatte und den Hebel, welcher sich im Pistolengriff verbirgt. Der Mechanismus ist symmetrisch auf beiden Seiten der Systemhülse ausgeführt und führt den Verschluss durch einen Stift, welcher beide Seiten des Mechanismus und den Verschluss durchgängig verbindet. Der Stift läuft in den entsprechenden Aussparungen der Systemhülse, das Gestänge mit der Dreiecksplatte steuert das Schließen/Verriegeln und das Entriegeln sowie vollständige Öffnen des Verschlusses. Die Aussparungen in der Systemhülse dienen als Steuerkurve. Zum vollständigen Öffnen muss der Hebel mit dem Pistolengriff ca. 30° nach vorn unten bewegt werden. Zum vollständigen Schließen, entsprechend in die Ausgangslage zurückgezogen werden. Die Bewegung erfolgt damit um den Drehpunkt des Verschlusssystems, ohne ein seitliches Moment auf die Waffe zu erzeugen. Beim Bedienen des Pistolengriffes ist der Ent- und Verriegelungspunkt deutlich zu spüren.

Der Hebel ist dabei rechtsseitig unsymmetrisch angebracht. Da der Verschlussmechanismus außerhalb der Systemhülse läuft und arbeitet, ist er nach oben durch eine Blechabdeckung geschützt. Diese wird in zwei herausstehenden Schrauben an der Systemhülse eingehackt und durch einen „Federeffekt“ gehalten. 

Abzugseinrichtung

Die Abzugseinrichtung ist mit zwei Schrauben an der Systemhülse befestigt und wurde offensichtlich weitgehend vom Modell 150 übernommen. Die Einstellmöglichkeiten sind praktisch gleich. Es ist die Einstellung des Vorzugsweges (Reduktion bis zum Direktabzug möglich), der Vorzugskraft, des Abzugswiderstandes, des Abzugswegs und der Längsposition des Abzugszüngels möglich [2]. Der Abzugsbügel wurde im rechten hinteren Bereich so angepasst, dass der Abzugsfinger beim Repetiervorgang vor dem Abzugszüngel verbleiben kann und auch beim Betätigen des Abzuges nicht das Gewehr berührt.  

Rohr

Das Rohr trägt auf der linken Seite die Prägung „Kal 22 lang für Büchsen“ dahinter das Beschusszeichen. Unter dem Beschusszeichen sind drei Achten eingeschlagen. Die Achten repräsentieren nicht die letzten drei Ziffern der Seriennummer. Im hinteren Drittel des Rohres ist die Nummer 51474 auf der Unterseite eingeschlagen. Die Fünf wurde dabei nachgeschlagen bzw. ist unsauber eingeschlagen. Diese weitere Nummer auf dem Rohr konnte bisher keinem Bezug zugeordnet werden. 

Das Rohr ist in der Systemhülse mit 2 Schrauben geklemmt. Darüber hinaus gibt es eine weitere Madenschraube sowie eine Bohrung mit Gewinde an der rechten Seite der Rohrklemmung. Die Funktion ist bisher ungeklärt, auch ob tatsächlich eine Schraube am Realstück fehlt. 

An der Rohrmündung sind deutliche Bearbeitungsspuren, möglicherweise vom Ablängen, zu erkennen. Die Kalibermündung wurde sauber und verhältnismäßig tief bzw. weit zurückgesetzt. Der direkte Übergang zum Laufprofil ist deutlich erkennbar angefast. Der Geschossaustritt ist somit äußerst gut gegen Beschädigung von außen geschützt. 

Mit dem vorderen Ende des Rohres schließt der Kornträger, welcher aufgeschoben und mit Schrauben geklemmt ist, plan ab. Er verfügt über eine federnd gelagerte Schutzklappe. Diese wiederum besitzt ein abgedecktes Durchschussloch, falls der Sportler einmal vergisst die Klappe zu öffnen.   

Schaft

Der Schaft besteht aus dem Vorderschaft, dem Pistolengriff und der Schulterstütze. Alle drei Teile sind unabhängig voneinander an der Waffe angebracht und aus Holz gefertigt. Der Pistolengriff dient gleichzeitig als Repetierhebel. 

Am Vorderschaft sind die Aufnahme für vier Magazine, die Aufnahme für das Tragegestell sowie die Aufnahme für den Handstopp integriert. Er besitzt an kritischen Stellen Antirutscheinlagen aus Kunststoff. Im Bereich des Magazinschachtes wurde eine Magazinführung aus rotem Kunststoff angebracht. Die Befestigung an der Systemhülse erfolgt mit zwei unterschiedlich langen Schrauben.

Die Schulterstütze besitzt eine Abschlusskappe mit einem unteren Dorn und nimmt in Aussparungen darunter die beiden Trageriemen auf. Die Schulterstütze wird auf ein am System winklig angeschweißtes Rohr mit Gewinde aufgeschoben und verschraubt. Die Schraube ist durch die Abschlusskappe verdeckt.

Die Schulterstütze und der Pistolengriff wurden grundsätzlich in einer Rohform ausgeliefert und dann an den betreffenden Sportler angepasst. Daher besitzt z.B. die Schulterstütze auch keine verstellbare Schaftbacke oder Schaftkappe.

Visiereinrichtung

Die vorhandene Visiereinrichtung besteht zum einen aus dem Korn und dem Diopter. Das Korn ist im Korntunnel eingeschraubt und kann entsprechend gewechselt werden. Der Kornträger mit dem Korntunnel wiederum ist am vorderen Ende des Rohres verschraubt. Der Diopter ist ein Diopter von Anschütz und vermutlich nicht original. Dieser klemmt auf der Waffe ohne Halteschrauben. Er besitzt keine Schneeschutzklappe. Auch die V0689 trägt ein Anschützdiopter. Es ist nicht bekannt, ob grundsätzlich importierte Anschützdiopter installiert wurden, oder diese die originalen Diopter irgendwann ersetzten.  

Zubehör

Als Zubehör besitzt die Waffe ein Tragegestell sowie vier Magazine. Die Magazine bestehen aus Kunststoff und besitzen einen Aufsatz zur Aufnahme von drei Reserve- bzw. Ersatzpatronen. Zur Zeit der Entwicklung und Produktion der Waffe wurden die Reservepatronen jeweils vor dem Schießen am Stand abgelegt. Dazu kann am Magazin eine Feder bedient werden und die drei Ersatzpatronen fallen aus ihrer Aufnahme. 

Die Magazine werden gerade in den Magazinschacht eingeführt und durch ein federgelagertes Blech von hinten nach vorn gegen einen kleinen Haken am Magazinschacht mit ihrem unteren Ende verriegelt. Zum Entnehmen muss das Magazin nur gefasst und mit leichtem Druck entgegen der Schussrichtung aus der Waffe gezogen werden.  

Weiteres Zubehör war sicher vorhanden (z.B. vergleichbar dem Modell 150), steht allerdings leider mit dem vorliegenden Realexemplar nicht mehr zur Verfügung. 

Zusammenfassung

Insgesamt zeit die erste Untersuchung des vorhandenen Realexemplars interessante Details, lässt darüber hinaus allerdings auch einige Fragen offen. Nun gilt es die offenen spannenden Fragen zu klären. Weitere Untersuchungen der Waffe und Nachforschungen werden sicher weiter helfen.

Natürlich ist jeder Leser sehr gern eingeladen mit seinem Wissen zur weiteren „Erforschung“ dieses interessanten Teils der Sport- und Waffengeschichte beizutragen. Das gilt natürlich auf für Korrekturen meiner Annahmen oder bisherigen Ergebnisse.

[1] Dieter, Ernst G.: Im Zeichen des Waffenschmieds (Alamanach der modernen Schusswaffenfertigung in der Region um Suhl/Thüringen, Teil 2  Erfindungen, Patente, Konstruktionen, Kuriositäten), Bad Liebenstein, Bundesrepublik Deutschland: Ernst G. Dieter Selbstverlag 2010 

[2] VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst Thälmann Suhl: Bedienungsanleitung Kleinkaliber-Gewehr Modell 150 -Standard-, Suhl, DDR

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