Anschießen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Anschießen beim Biathlon bzw. für das Biathlonschießen. Grund für die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, dass ich sowohl im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit am Landesleistungszentrum Biathlon Niedersachsen, in Clausthal-Zellerfeld, als auch im Rahmen der Trainerausbildung Biathlon des DSV Optimierungspotential im Biathlonschießen und in dem dafür notwendigen Training erkannt habe.

Das Anschießen bildet eine wesentliche Grundlage für ein erfolgreiches Training sowie eine erfolgreiche Wettkampfgestaltung im Biathlon und ist daher eine besonders wichtige Leistungskomponente in der Leistungsstruktur.

Grundsätze

Als Anschießen der Biathlongewehre bezeichnet man den Vorgang die Visiereinrichtung nach Seite und Höhe so einzurichten (zu justieren), dass in der vorgegebenen Entfernung von 50 m der Haltepunkt mit dem Treffpunkt übereinstimmt.

Durch das Anschießen können lediglich Abweichungen zwischen Visierlinie und Treffpunkt ausgeglichen werden. Andere waffen- oder schützenbedingte Abweichungen, welche z.B. dazu führen, dass das Treffbild nicht den Anforderungen entspricht, können durch das Anschießen nicht beseitigt werden.

Das Anschießen dient in Vorbereitung sowohl des Trainings, als auch des Wettkampfes dazu, die lokalen Bedingungen am Schießstand und die aktuellen Witterungsbedingungen (zum Zeitpunkt des Anschießens) auszugleichen. Ziel ist es, dass der mittlere Treffpunkt (MTP) der Trainings- oder Wettkampfschüsse im Zentrum der Ziele liegt.

Durchführung

Das Anschießen findet mit folgendem Ablauf im Anschlag liegend statt.

  1. Schießen eines Trefferbildes (1. Trefferbild) und ermitteln des MTP und dessen Abweichung in der Seite sowie Durchführung der notwendigen Korrekturen in der Seite.
  2. Schießen eines weiteren Trefferbildes (2. Trefferbild) und ermitteln des MTP und dessen Abweichung in der Höhe sowie Durchführung der notwendigen Korrekturen in der Höhe.
  3. Schießen eines weiteren Trefferbildes (3. Trefferbild) zur Überprüfung. Dieses Trefferbild sollte mit seinem MTP im Zentrum des Zieles liegen.

Dabei sind folgende Grundprinzipien einzuhalten.

  1. Es wird zunächst die Abweichung in der Seite und danach die Abweichung in der Höhe

Niemals Seite und Höhe gleichzeitig ausgleichen, da sonst nicht nachvollzogen werden kann, welche Maßnahme welche Auswirkung hatte. Dies ist in den komplexen Beziehungen zwischen Außenballistik, Höhenunterschied Visierlinie – Rohr sowie der möglichen (gewollten) Verkantung der Waffe und den Auswirkungen der äußeren Bedingungen begründet.

Weiterhin hat unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei entsprechender Windrichtung, ein mit Rechtsdrall stabilisiertes Geschoss die Tendenz hat bei Wind von rechts zu „steigen“ und umgekehrt zu „fallen“, eine Verstellung „bei links“ auch eine Auswirkung nach „tief“ und eine Verstellung „bei rechts“ auch eine Auswirkung nach „hoch“.

2. Der Schütze sollte beim Anschießen seinen Anschlag möglichst beibehalten, um  Abweichungen von Trefferbild zu Trefferbild durch das Auflösen und Neueinrichten des Anschlages zu vermeiden. Das Anschießen dient nicht dazu die Wiederholgenauigkeit der Einnahme des Anschlages zu trainieren.

Davon kann und sollte im Training aus methodischen Gründen abgewichen werden.

3. Es werden alle durchgeführten Korrekturen durch Schießen eines kompletten Trefferbildes überprüft. Das bedeutet keine durchgeführte Korrektur bleibt ohne praktische Überprüfung durch den scharfen Schuss.

Von diesem Grundsatz sollte nur im absoluten Notfall (z. Bsp. extrem begrenzte Zeit beim Anschießen) abgewichen werden.

4. Als komplettes Trefferbild zum Ermitteln eines MTP reichen 3 Schuss aus. Aus Gründen der Zeitersparnis, insbesondere beim Anschießen vor Wettkämpfen, sollte das Anschießen so auch trainiert werden.

5. Es wird immer streng nach Rechnung die Lage des MTP mit der Visiereinstellung korrigiert.

Eine Beispielrechnung: Die Ringbreite von einem Ring auf der normalerweise verwendeten Papierscheibe wird mit 3 Klicks überwunden (dabei sind 1 Klick = 3 mm, für den meist verwendeten Diopter), da der Ring 8 mm breit ist. Die 10 hat einen Durchmesser von 12 mm. Damit hat die 10 eine „Ringbreite“ von nur 6 mm. Liegt der MTP z. Bsp. horizontal rechts von der Scheibenmitte, am Rand des 8er Ringes folgt, die Rechnung:

2 x 8 mm (8er und 9er Ring) + 6 mm (1/2 x 10er Ring) = 22 mm ==> 7 Klick bei rechts (da 22/3=7,3), um den MTP theoretisch in die Scheibenmitte zu verschieben. 

6. Die Beurteilung der MTP erfolgt gemäß von Erfahrungswerten so, dass aus der darauffolgenden Rechnung oft zu große Verstellwerte folgen. Daraus kann abgeleitet werden, dass bei Kommawerten im Rechnungsergebnis immer abgerundet werden sollte.

7. Verstellwerte von weniger als 2 Klick haben praktisch keine Auswirkung, da hier nicht einmal der Geschossdurchmesser überwunden wird und diese Anpassung des Treffpunktes sowohl in der Waffen- als auch in der Schützenstreuung untergehen. Bei Zweifeln an der Lage des MTP sollte lieber noch einmal mit gleichen Einstellungen überprüft werden.

Sonstiges

Die Verteilung aller Treffer, sowohl nach Höhe und Breite auf einer senkrechten Fläche als auch nach Länge und Breite auf einer waagerechten Fläche, ergibt ein Treffbild oder auch Trefferbild genannt.

Aus diesen Treffbildern lässt sich ein mittlerer Treffpunkt (MTP) ermitteln, welcher maßgeblich für die Beurteilung der Treffer ist. Der mittlere Treffpunkt ist dabei der Punkt, der in der Mitte einer ungeraden Anzahl von Treffern liegt. Zieht man durch das Treffbild eine Senkrechte und eine Waagerechte so, dass ebenso viele Treffer rechts und links sowie oberhalb und unterhalb dieser beider Geraden liegen, bildet ihr Schnittpunkt den mittleren Treffpunkt. Die Abbildung zeigt die Ermittlung des mittleren Treffpunktes für Trefferbilder mit drei und fünf Schuss.

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